Christian Diehl

Vortrieb

Um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts galt die Emscher als der schmutzigster Fluss in Deutschland, weil darin der Großteil der Abwässer des Ruhrgebiets zu den Kläranlagen transportiert wurde.
Mit dem Ende des Bergbaus stellen nun Bergsenkungen in der Emscher-Region kein Problem mehr dar, sodass jetzt mit dem Bau eines unterirdischen 170 Kilometer langen Abwasserkanalsystems begonnen werden konnte.
Im Vortrieb grub sich der Kanal unterirdisch unter Autobahnen, Wohngebieten und Industriearealen durch das Erdreich hindurch, ähnlich einem Regenwurm, nur dass der Tunnelbauer auf den Zentimeter genau wusste, wo er sich gerade befindet. Das städtische Alltagsleben bekam vom unterirdischen „Treiben“ kaum etwas mit, selbst wenn der Abwasserkanal zehn Meter unter einem bewohnten Familienhaus verlegt werden musste.
Die Technik des Tunnelbauers sieht auf den ersten Blick archaisch aus: gebogene Stahlplatten, Eisenrohre, Schienen, Pumpen, Kabel und auf allem liegt eine dicke Staubschicht. Doch bei genauerem Hinsehen bemerkt man unter der Dreckschicht, blinkende Leuchtdioden, Hydraulikschläuche, Sensoren, Laserpeilgeräte, Computer in dicken Gehäusen, die ihren Dienst fast unsichtbar verrichten.
Im Vortrieb funktioniert nichts ohne Menschen - es wird geschaufelt, mit einem Joystick der Bohrkopf gesteuert, Manometer kontrolliert, geschweißt, Grundwasser abgepumpt, schwere Gerätschaften per Flaschenzug bewegt, das nicht mehr benötigte Erdreich auf Loren befördert, Gefahren abgeschätzt, Hebel und Knöpfe bedient, mannshohe Abwasserrohre manövriert - damit die Vortriebsmaschine ihren genau definierten Weg findet.
Würde man einen Arbeiter im Tunnelbau fragen, wie man zum Erdmittelpunkt gelangt, dann würde er wahrscheinlich mit der Hand in Richtung des Bohrkopfes seiner Vortriebsmaschine zeigen.
© Sämtliche Nutzungsrechte an den abgebildeten Fotografien liegen bei Christian Diehl

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