Frank Schultze

Ein Gigant auf Reisen

Im Frühsommer 2002 hat ein Jahrhundertprojekt begonnen: Ein komplettes Stahlwerk der Thyssen Krupp Stahl AG - die kaum vorstellbare Menge von 250 000 Tonnen Stahl - werden abgebaut und in Einzelteile zerlegt und nach China verschifft. Thyssen Krupp hat das ''moderne, funktionstüchtige Werk'' an die Chinesen verkauft, weil es nicht mehr ausgelastet wurde. Das Monstrum aus Sinteranlage, Hochofen, Walzwerk soll China helfen, seine marode Stahlindustrie zu modernisieren. Deshalb haben die chinesischen Arbeiter, Elektriker und Ingeneure das Gelände in Dortmund bevölkern. Alle Teile, angefangen von jeder Sonderschraube bis zum Antriebsmotor, werden sorgfältig nummeriert und in Überseecontainer verpackt. Größere Anlageteile reisen als Sperrgüter in Frachtschiffen. Das gigantische Puzzle wird in der Provinz Jiangsu, rund 200 Kilometer nördlich von Shanghai, wieder entwirrt.
Die Spezialisten sind im alten Bürotrakt der Westfalenhütte und Phönix – Stahlwerk untergebracht. Die Räume sind bis auf zahllose Pinups kahl und mit mehreren Betten, Schränken und Fernseher ausgestattet. Über Satellit können sie nach der achtstündigen Schicht lediglich noch das Nachtprogramm aus Peking empfangen. Immerhin ist das ein Stück Heimat. Für das leibliche Wohl der Arbeiter sorgen mehrere Köche. Die ehemalige Waschkaue ist die provisorische Küche. Süßliche Aromen von Ingwer und geschnittenen Zwiebeln durchwehen die Gänge.
© Sämtliche Nutzungsrechte an den abgebildeten Fotografien liegen bei Frank Schultze

Weitere Bildserien von Frank Schultze im Pixelprojekt Ruhrgebiet