Wolfgang Zurborn

Drift

Die einzigartige Möglichkeit des Mediums Fotografie besteht gerade darin, im Dialog mit der Außenwelt immer wieder neu seine eigenen Kriterien der Wahrnehmung in Frage zu stellen, um sie in einen offenen Prozeß, in ein Experiment des Sehens zu überführen. Losgelöst von jeglichem Anspruch, etwas beweisen zu wollen, begreift sich diese Weltsicht als Teil einer dynamischen Wirklichkeit und reflektiert die eigene Wahrnehmung als Konstruktion einer von vielen möglichen Perspektiven. Mit meiner Fotografie verfolge ich kein fest definiertes Ziel, ich lasse mich ein auf eine „Drift“ im Fluß der uns täglich umgebenden Reize und konstruiere mit dem Zusammenspiel der Bilder ein komplexes Netz von Assoziationen, die den Betrachter sensibilisiert für subtile Veränderungen von Wahrnehmungszuständen.

Bei der Suche nach Ordnungen, die das Zusammenspiel von Körpern, Dingen, Zeichen und Räumen in den Fotografien zu einem lesbaren Gefüge, zu einer begreifbaren Komposition transformieren, gilt es das Chaos nicht zu verraten, weil gerade in ihm eine ungebändigte Lebendigkeit steckt. Absolute Gestaltung, die jeglichen Zufall eliminiert und gültige, eindeutige Wirklichkeiten schaffen will, wünscht dagegen den Stillstand der Welt herbei. Der Raum der Anschauung wird architektonisch kontrolliert und ideologisch beherrscht, die Zeitlichkeit und Veränderung des Blicks wird ausgegrenzt.

Die Neugier auf Erfahrung, die Suche nach Kommunikation, sehnt sich nach Bildern, die uns mit irritierenden Ausschnitten, überraschenden Kompositionen und ungewöhnlichen Perspektiven aus dem routinierten Konsum der aufgeräumten Bilderwelten der Medien herausreißen. Diese Irritation ist notwendig, um wieder hinschauen zu können auf das, was uns im alltäglichen Leben begegnet. Die Verrätselung der Sehweise will nicht mystifizieren, sondern einen fragenden Blick evozieren, der sich nicht vorschnell zufrieden gibt, der immer weiter eindringt in die verschiedenen Schichten des Sichtbaren.

Das Buch Drift ist im Oktober 2007 im Kehrer Verlag erschienen.
© Sämtliche Nutzungsrechte an den abgebildeten Fotografien liegen bei Wolfgang Zurborn

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Vorgarten der Illusion

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