Reinhard Krause

Die 80iger - Fotos aus dem Ruhrgebiet

Fotos aus dem Ruhrgebiet der 1980er Jahre, vom Alltag und Feiertag, Straßenszenen und Veranstaltungen, zeigen eine manchmal bedrückende aber auch liebenswerte Sicht des Ruhrgebiets dieser Zeit.

Gute Reportagen, gute journalistische Fotos entstehen, wenn man einem Thema sehr nahe kommen kann. Wenn man sich aber mit seinem direktem Lebensumfeld beschäftigt kann es besonders schwer werden, weil die nötige Distanz fehlt.

In den 80er Jahren habe ich es im Ruhrgebiet versucht, in dem ich 30 Jahre lang gelebt und aufgewachsen bin und habe ständig und überall wo ich war fotografiert.

Fotografie bietet die Möglichkeit den eigenen Alltag, die Straßenbahn und Bushaltestelle oder den Diskobesuch am Wochenende „neu“ zu entdecken .

Mit der Kamera kann man in unbekannte Gefilde vorstoßen, fremde Orte in der Nachbarschaft entdecken. Wie sonst hätte man die Möglichkeit, als „Nicht-Tänzer, das Training des Bayrischem Gebirgstrachtenverein Edelweiß in Duisburg zu besuchen.

Genug Geld konnte man damit aber nicht verdienen, abgesehen von einer Geschichte über „Herrenkarneval“ die als Titelgeschichte im STERN landete, haben nur die TAZ oder DIE ZEIT gelegentlich Bilder gedruckt.

Meinen Lebensunterhalt habe ich damals als Fotograf bei der Messe Essen und später bei einem Projekt mit arbeitslosen Jugendlichen in Essen-Katernberg verdient. Fotografiert habe ich aber trotzdem weiter alles, was mir in meinem Alltag und in der Freizeit interessant erschien.

1989 verließ ich das Ruhrgebiet um für die Nachrichtenagentur Reuters zu arbeiten, heute bin ich Chef des Reuters Bilderdienstes in China.

Die Negative landeten in Umzugkartons und irgendwann habe ich sie dann wieder entdeckt. Fasziniert von den persönlichen Erinnerungen habe ich, jetzt mit der nötigen Distanz, alle Negative noch einmal durchgesehen und neu bearbeitet.

Rückerinnerungen auf eine Zeit kommen wohl immer periodisch und immer wieder erinnern sich die Menschen, die zusammen groß geworden sind, gemeinsam ihrer Jugend.

Mode und Musik beeinflussen Einen sehr stark und meistens sehr unreflektiert, und erst mit einiger Lebenserfahrung fragt man sich, was man da in jungen Jahren bloß angestellt hat. Und auch die Kinder wollen wissen wie die Eltern groß geworden sind und interessieren sich für deren Jugendzeit, spätestens wenn sie die alten Kleider ihrer Mutter mit großen bunten Blumenmustern im Schrank finden und Bilder des Vaters mit Irokesenhaarschnitt.

Bilder wecken da natürlich sehr direkt Erinnerungen, und selbst belanglose Strassenszenen werden Zeitdokumente, alleine wegen der abgebildeten Autos und der Kleidung.

“Essen wird jetzt bald Kulturhauptstadt, da passen diese Bilder einfach nicht”, -- das war die Reaktion eines bekannten Essener Buchverlages, dem ich meine Bilder aus den „8oer“ zusammen mit dem Entwurf für ein Buch angeboten habe. Die Bilder wären zwar toll, aber es würde sich bestimmt niemand finden, der ein „eher negatives Bild des Ruhrgebiets sponsort“.

Eigentlich hat sich nicht viel geaendert seit ich das Ruhrgebiet verlassen habe.

Die Kultur des Alltags wird nicht gewürdigt, - der Arbeiter, der frühmorgens mit der Straßenbahn zur Maloche fährt ( wo gibt es überhaupt sonst noch Straßenbahnen ?), und die Kultur der Freizeit - der Karnevalsjeck der einer Striptease Tänzerin hinterher krabbelt, sind eben auch wert, beachtet zu werden. Man findet natürlich auch Schattenseiten wenn man sich auf die Suche nach dem Alltag macht, aber auch diese gehören dazu, und werden irgendwann Zeitdokumente.

Ich habe damals das Ruhrgebiet in den 80ern als faszinierenden Kulturraum empfunden, den Strukturwandel und auch die vielen Ungereimtheiten eher als Chance als als Hemmnis. Die Bilder sind sehr subjektiv, aber nicht als Abrechnung sondern eher als Liebeserklärung gemeint

Ein Essener Karnevalspräsident schrieb mir als Kommentar zu den Bildern aus der närrischen Zeit des Jahres empört: „wo bleibt denn da die Freude?“

Und genau das habe ich mich damals auch gefragt!
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