Jürgen Leiendecker

Aalto Theater Essen

Im Grunde mache ich nur da weiter, wo ich 1990 aufgehört habe. Zu meinen schönsten Erinnerungen an die zweite Hälfte der 80er Jahre, als ich noch als freier Fotograf und Fotodesigner arbeitete, zählt die Arbeit für das Essener Kinder- und Jugendtheater. Habe damals sehr viele Inszenierungen fotografisch begleitet und auch einige schöne Plakate gemacht. Aber weil das mit der sicheren Existenz im Fotoberuf nicht so richtig klappen wollte, bin ich dann 1987 sicherheitshalber als Bühnenarbeiter zum Theater gewechselt. Eine zeitlang habe ich das mit dem fotografieren noch nebenbei gemacht, aber das ist dann doch schnell weniger geworden. Seit der Eröffnung im Herbst 1988 arbeite ich im Aalto Theater, inzwischen als Schnürbodenarbeiter. 1990 hatte ich im Foyer eine größere Einzelausstellung mit SW-Fotos aus allen Phasen meiner Fotozeit. Für diese Ausstellung hatte ich damals eigens eine 10-teilige Bildserie zum AaltoAlltag fotografiert, wenn man so will ... den Vorläufer dieser Arbeit. Damals allerdings in SW mit sorgfältig ausgearbeiteten Barytprints von eigener Hand. Farbe war zu der Zeit für mich generell kein Thema. Im folgenden Jahrzehnt hat Fotografie für mich eine weniger große Rolle gespielt. Schließlich habe ich mein Labor aufgegeben und bis auf die M4-P alle Kameras verkauft. Ende 2002 fange ich mit einer Digitalkamera, der Leica Digilux 1, wieder an, regelmäßig zu fotografieren. Unter anderem auch im Aalto Theater:
Fotografische Beobachtungen von Alltagssituationen aus dem Aalto Theater. Beileibe nicht komplett oder gar allgemeingültig. Fotografie ist halt immer nur Ausschnitt. Motive aus Bereichen, die ich seit nunmehr 17 Jahren kenne und zu denen ich arbeitsmäßig Zugang habe. Langzeitbeobachtung, die beinahe wöchentlich im Umfang wächst. Habe die Kamera halt dabei und reagiere auf alles, was interessant aussieht und ein Bild werden könnte ... und sich -ganz wichtig- ohne großen Aufwand / technischen Firlefanz im vorbeigehen neben meiner täglichen Arbeit als Schnürbodenarbeiter realisieren lässt. Purer Alltag eben. Allerweltssituationen meiner (!) tagtäglichen Theaterarbeitswelt. Mitarbeiter mit anderem Aufgabengebiet müssten, würden, könnten andere, genauso gültige Bilder machen. Eine Bedingung immerhin gibt es doch: alles ist genauso passiert, wie es auf dem Bild aussieht. Ich mache keine nachträglichen Ausschnitte, benutze kein Blitzlicht. Sensibilisiert durch die tagtägliche Begegnung mit / bzw. Beobachtung dieser Bilderwelt entwickeln oftmals ganz unspektakuläre Begebenheiten und Szenen für manchmal nur wenige Sekunden eine -wie ich finde- ... spannende Optik. Glaube, da kann ich noch eine ganze Weile weitermachen, bevor ich das Gefühl habe, ... alles schon mal gesehen ... nichts mehr zu machen ... fertig.
Alle Motive sind genauso passiert ... da ist nichts inszeniert, arrangiert, hingestellt, umgestellt bzw. weggestellt worden oder so. Auch bei den Stills: Ich habe keins der Teile auch nur angefasst, man schleicht mit der Kamera drumherum und es klappt oder man wartet auf die nächste Gelegenheit ... kommt ja bestimmt. Ich kann warten. Ich habe keinen Auftrag zu erfüllen, muss nicht mehr auf Biegen und Brechen ein Bild mitbringen. Deshalb: alles 100% authentisch. Es gab / gibt keinen Plan; zumindest nicht beim fotografieren. Wenn da was spannend aussieht und ich die Gelegenheit habe, das zu erwischen, dann versuch ich das auch. Sortiert und selektiert wird später. Weil ständig neue Bilder hinzukommen verändert die Geschichte ständig ihr Gesicht. Einige Motive haben inzwischen in den aktuellen Spielzeitheften der Theater und Philharmonie Essen Verwendung gefunden, teilweise arg beschnitten und schwarzweiß gedruckt. Ich habe zwischendurch auch mal mit einer SW-Umwandlung geliebäugelt, glaube aber, dass Farbe hier doch die richtigere Wahl ist. Liegt der Reiz nicht auch darin, dass sich ein und derselbe Raum Tag für Tag in unterschiedlich geprägten (Farb)Stimmungen und Dekorationen präsentiert ?

Jürgen Leiendecker, im Juli 2004.
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